Donnerstag, 31. Juli 2014

Wu Wei 03 - Erleuchtung


Die direkte, aufmerksame Wahrnehmung des unmittelbaren Geschehens, nennt man im Zen-Buddhismus Erleuchtung.

Wenn wir also direkt wahrnehmen, was jetzt gerade passiert, ohne dass der Verstand sich dazwischen schaltet und es mit einer Etikette versehen und in eine Schublade stecken will und ohne, dass wir es im Kopf kommentieren und bewerten.
Ganz ungezwungen beobachten, nur einfach hinsehen. Kein benennen, kein werten, kein analysieren. Echt und dauerhaft in der Gegenwart verweilen. Wenn uns das gelingt und sei es am Anfang auch nur für Sekunden, ziehen die schöpferischen Kräfte in unser Leben ein.

Den Geschehnissen ihren Lauf lassen ohne Wiederstand zu leisten oder sie festhalten zu wollen. Sie nur betrachten. Das ist Handeln im Nichthandeln. Das gibt ein Leben in Gelassenheit und Glück. Das ist Lebenskunst. Das ist Tao.
 

Um gegenwärtig zu sein, müssen wir unsere Bindungen erkennen und uns innerlich von ihnen befreien. Von jeder Art von Autorität, egal ob von Innen oder von Aussen. Liebgewonnene Vorstellungen und festgefahrene Denkmuster, alles was einem sagen will „wie man zu sein hat“ oder „was man zu tun hat“.

Freunde, Besitz, Wohlstand, Arbeit, der Wunsch nach Annehmlichkeiten, das ist alles in Ordnung, solange wir uns darin verbeissen, es krampfhaft zu erreichen suchen oder uns daran klammern wollen.

Nicht das geniessen hält uns vom Tao ab, sondern nur unsere innere Bindung daran.

Tao bedarf keiner obskuren Übungen. Es reicht, dass man sich dafür entscheidet, dass man anfängt sich und das Leben zu beobachten. Diese beobachten, diese Aufmerksamkeit könnte man vielleicht Meditation nennen. Sie findet aber nicht zu Hause im stillen Kämmerchen zu einer festgelegten Zeit statt. Sondern jederzeit, direkt dann wenn etwas geschieht.

Die einzige Voraussetzung für Tao ist, gegenwärtig zu sein. Das erreichen wir in zwei Schritten: Dem lösen unserer Bindungen und damit dass wir unsere Bindungen erkennen durch aufmerksame Beobachtung.

Sobald wir unserer Bindungen bewusst sind, werden sie ihre Kraft verlieren und automatisch verschwinden. Sofern man sich wirklich von ihnen frei machen will.

Damit ist jedoch auch eine Gefahr verbunden. Wir haben das Gefühl, dass uns diese Bindungen Sicherheit geben. Zwar ist das nur eine scheinbare Sicherheit. Trotzdem gerät unser ganzes System in Aufregung. Uns innerliche von diesen Bindungen zu lösen kann ängstigen.

Wir glauben, dass uns Institutionen, Ideologien und Organisationen Sicherheit geben. Doch wenn dem wirklich so wäre, warum müssen wir dann dauernd dafür kämpfen. Warum müssen wir uns ihnen dann anpassen, anstatt, dass wir sein können, wie wir sind, wer wir sind, was wir sind?

Weil wir es so gelernt haben, es uns so vorgelebt wurden, denken wir, dass uns die täglichen, festgefahrenen Gewohnheiten Halt geben. Sie gaukeln uns ein Gefühl von Geborgenheit und Sicherheit vor. Wir fühlen uns in die Gesellschaft integriert.

Wer sich jedoch der Lebenskunst des Tao zuwendet und sich von seiner eigenen inneren Autorität leiten lässt, der wird wahre Sicherheit kennen lernen. Er wird vom Fluss des Lebens getragen werden.

Es gibt nichts mehr, um das man sich dauernd Sorgen machen muss. Man muss sich nicht mehr ändern oder etwas werden oder vorgeben etwas zu sein, das man nicht ist. Es ist nicht mehr nötig für irgendetwas zu kämpfen.

Im Gegenteil, es ist sogar unerlässlich, dass wir den Wunsch und das Streben etwas anderes zu sein, als wir gerade sind, los lassen.

Stattdessen müssen wir lernen nichts zu tun. Vor allem, nichts zu denken. Zu beobachten, aufmerksam zu sein. Das ist intelligentes Handeln. Tao handelt dann für uns. Und zwar viel besser, als es unser Verstand jemals kann.

Wird demnächst fortgesetzt

Gruss Barbara

Zusammenfassung des Buches: Wu Wei von Theo Fischer, erschienen bei Rowohl

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